Montag, 12. Januar 2009

Jans muss sterben - Anna Seghers



Bewertung: *****(4 Sterne)

Kurzbeschreibung:

Jans, der siebenjährige, muntere und braun gebrannte Sohn der Eheleute Marie und Martin Jansen kommt abends wie gewöhnlich von tollkühnen Spielen auf der Vorstadtbrücke nach Hause - und bricht in der Nacht darauf todkrank zusammen. Die jeweils einsame, fast schon selbstsüchtige Liebe von Mutter und Vater zu ihrem erstgeborenen Kind wandelt sich zunächst zu ebenso egoistischer Verzweiflung und Trauer. Schon Jahre zuvor ist die einstige Liebesbeziehung zu einer gefühlskalten, proletarischen Überlebensgemeinschaft geworden. Am Sterbebett des Sohnes finden Marie und Martin jedoch wieder zueinander. Eine Tochter wird geboren, während Jans monatelang dahinsiecht.

Zusatzinformation:

Anna Seghers war 25, als sie diese Geschichte zu Papier brachte, und nicht ausgemacht ist, dass sie den Titel wirklich so wählte: er geht auf eine Notiz zurück, die man, wie die Erzählung auch, in ihrem Nachlass fand; ohne Vermerk der Autorschaft übrigens. Doch alles – der luzide Stil so wie die für das Gesamtwerk charakteristischen Motive – lässt darauf schliessen, dass das nun erstmals veröffentlichte Stück Prosa aus Anna Seghers Feder stammt; es legt Zeugnis ab von dem psychologischen Scharfsinn einer Autorin, die das Aufbegehren gegen ein ängstlich gedrücktes Dasein zu ihrem Lebensthema erkor.
Diese schöne Geschichte, noch am Anfang einer schriftstellerischen Karriere entstanden, zeigt aber schon das hervorragende Talent dieser Autorin. Mit kraftvoller, poetischer Sprache schildert Anna Seghers eine für die damalige Zeit spezifische Familiengeschichte. Hunger, der kein Hunger nach Nahrung ist, sondern die Suche nach einem Fluchtweg aus dem Kleinbürgertum und Proletariat.
All dies, was sicher Anna Seghers selber kennen gelernt und gesehen hat, was sie als Thema über Jahre beschäftigt hat, wurde in dieser kleinen Erzählung wiedergegeben.


Fazit:

Mögen auch manche Metaphern dieses frühen, unbearbeitet gebliebenen Textes (verfasst um 1925) ungeschliffen erscheinen, so beeindruckt doch vor die allem stilistische Kraft der Autorin. Die elterliche Sprachlosigkeit, ja sogar Scheu vor Blickkontakten angesichts einer unaufhaltsamen Krankheit sowie die wachsende emotionale Distanz zu dem geliebten Kind, das zunehmend nicht mehr es selbst ist: das alles wird dem Leser so eindringlich vor Augen geführt, dass man der bedrückenden Enge des einzigen bewohnten Zimmers nicht entfliehen kann.

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